Eule 🦉
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Lese-Status

Eine Geschichte ist zu wenig, deshalb stecke ich natürlich wieder in zwei Büchern gleichzeitig. Eines davon ist ein Hörbuch.
Nachdem ich mit Unterleuten fertig war, brauchte ich etwas unaufgeregtes, langweiliges. Das Buch von Juli Zeh hörte ich bis fast vier Uhr morgens, Aufhören war einfach nicht drin. So etwas Aufreibendes kann man nicht ständig lesen oder hören. Deshalb griff ich als Nächstes zu Stoner von John Williams. Eine Buchbloggerin war von dem Roman sehr angetan und vor kurzem lief mir das Hörbuch über den Weg, so dass ich mir selbst ein Bild machen wollte.

John Williams' Roman spielt in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts und beschreibt das Leben eines Mannes namens William Stoner. Ich bin gegenwärtig in der Mitte der Geschichte und vermisse eine Handlung. Stoner studiert, heiratet, unterrichtet an der Universität englische Literatur, in seiner Ehe kriselt es, einige Kollegen intrigieren gegen ihn. Gääähhhhhn. Ich liebe die Literatur und finde es toll, dass es Menschen gibt, die dieses Fach studieren und lehren usw. Aber - Hummel! - müssen die Bücher über diese Menschen so furchtbar öde sein?! Zudem ist Stoner ein Kind seiner Zeit, eher zurückhaltend, konfliktscheu, nicht sonderlich durchsetzungsfähig. Ich habe das Gefühl, alle tanzen auf seiner Nase herum. Warum soll mich das interessieren?
Der Roman entstand irgendwann in den 1960ern, ich finde ihn altbacken. Der Klappentext sagt, das sei ein "großer Roman", und ich glaube, er war nur zu seiner Zeit groß.
Ich wollte etwas Langweiliges, aber doch nicht soooo langweilig!

Das andere Buch habe ich geschenkt bekommen (*winke*) und spontan damit angefangen. Historische Romane kommen bei mir noch hinter den Krimis, aber in diesem Buch geht es um Äneas und seine Reisen. Das hätte ich mir vielleicht sogar selbst gekauft, wenn ich darauf gestoßen wäre. Es ist Die Seherin von Troja von Jo Graham. Einst habe ich versucht, Homer und seine Ilias zu lesen, aber schnell aufgegeben. Über den Trojanischen Krieg weiß ich also fast nur das, was ich in Ilium von Dan Simmons gelesen habe. Ich habe jetzt natürlich bei jeder Erwähnung von Äneas die Szene aus Ilium vor Augen, in der Aphrodite ihren sterblichen Sohn zu einer nanotechnisch aufgerüsteten Kampfmaschine macht.
Der Trojanische Krieg liegt in der Handlung des Buches schon einige Jahre zurück. Die Ich-Erzählerin ist eine junge Frau, deren Mutter beim Fall der Stadt in die Sklaverei verschleppt wurde. Was mit Frauen im Krieg geschieht, ist wohl jedem klar, und die Ich-Erzählerin ist das Ergebnis dieser furchtbaren Geschehnisse. Als Kind wird sie dem Orakel Pythia übergeben und wird, als Pythia stirbt, selbst zur Pythia. Den Anweisungen ihrer Herrin, der Göttin des Todes, folgend, geht Pythia mit Äneas auf Reisen. Äneas ist der letzte überlebende Nachfahre von König Priamos von Troja, ein Prinz ohne Königreich, dafür mit einigen wenigen Kriegsschiffen und Untertanen. Er sucht ein Land, einen Ort, an dem er eine Stadt für seine Leute errichten kann. Wer die Äneas-Sage kennt, weiß, dass er diesen Ort finden und das Römische Reich gründen wird.
Vom Umfang her ist das Buch ein Dickerchen, aber die Seiten fliegen nur so dahin, es liest sich sehr leicht.

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Die Seherin von Troja von Jo Graham

Möwe ist die Tochter eine trojanischen Sklavin. Nach einem Unfall kann sie nicht mehr arbeiten, und ihre Mutter bringt sie zur Pythia, damit diese das Mädchen als ihre Dienerin annimmt. Pythia ist eine geachtete Priesterin des Todeskults, doch die Opfergaben haben sich im Laufe der Zeit immer weiter verringert. Früher brachte man ihr Prinzessinnen, heute ist es nur noch ein Sklavenmädchen. Aber sie nimmt Möwe auf und bildet sie zur Nachfolgerin aus. Als Pythia stirbt, wird Möwe zur neuen Pythia. In einem Traum sieht sie, wie schwarze Schiffe auf die Stadt zukommen und eilt zum Hafen. Es sind die Landsleute ihrer Mutter, Trojaner, angeführt von Äneas, dem einzigen überlebenden Sohn des Priamos.
Möwe-Pythia schließt sich der Reise des Äneas an, der eine neue Heimat für die kläglichen Überreste seines Volkes sucht.

Troja und Äneas waren die Stichworte, dieses Buch wollte ich lesen. Die Lektüre ist schon Monate her, aber ein paar Eindrücke sind noch immer vorhanden. Zum einen liest sich das Buch wie nichts. Man fliegt über die Seiten und taucht irgendwann, 100 Seiten später, wieder in der Realität auf. Dabei ist es bei weitem kein Meisterwerk, sondern eher ein Buch, das man nach dem Lesen wieder vergisst. Ein bisschen wie Fastfood.

Die Legende über Äneas dürften die meisten kennen - das war der, der Rom gegründet hat. Man weiß also beim Lesen, wohin es geht. Der Weg zum Ziel ist steinig und abenteuerlich, aber nicht unbedingt voll atemloser Spannung. Die Ich-Erzählerin Möwe ist eine besonnene junge Frau, und genauso ist auch die Geschichte, ruhig, mit umschiffbaren Untiefen und Gefahren. Zwar gibt es lebensgefährliche Stürme, doch vom Ziel abbringen können diese die schwarzen Schiffe und Möwe nicht.

Schön fand ich den Abstecher in ein fernes Land. Möwes Zweifel, ob sie die Reise fortsetzen oder bleiben soll, fand ich hier glaubwürdig dargestellt. Man weiß natürlich, dass alle Wege nach Rom führen, zumindest was diese Reisegefährten angeht, trotzdem schafft es die Autorin, den Leser kurz ins Grübeln zu bringen.
Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte. Diese ist, wie der Rest der Handlung, eher unaufgeregt, und doch gerade deshalb um so berührender.

Im Februar 2022 kommt ein weiterer historischer Roman der Autorin auf Deutsch heraus. Ich werde ihn auf jeden Fall kaufen.

Fazit: Ein angenehm zu lesendes Buch über eine Odysee (nur ohne Odysseus).

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