Eule 🦉
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Das Wort zum Alltag

Buchvorstellungen, interessante Links, der tägliche Wahnsinn und sinnloses Gelaber - alles in einem Kanal.
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Janus von Phillip P. Peterson

Worum geht es?
Auf dem Marsmond Phobos wird ein außerirdisches Objekt entdeckt. Eine Mission wird geplant, bei der buchstäblich alles schiefgehen kann und bei der das Überleben der Menschheit auf dem Spiel stehen könnte.

Schon ein paar Mal habe ich beim Lesen bzw. Hören von Petersons Büchern bemängelt, dass sie sich alle ähneln und dass ich mir etwas Neues von ihm wünsche. Aber - Neues gibt es auch in Janus nicht. Mehr noch: Ich habe das Buch vor knapp 3 Wochen gehört und musste mir die Beschreibung sowie die Leseprobe vornehmen, um mich überhaupt an die Handlung zu erinnern.
Ja, ich lese bzw. höre alles von Peterson, werde damit auch so lange weitermachen, wie er schreibt. Mir ist klar, dass die Bücher eines Autors nicht alle gleich gut und spannend sein können. Dass hin und wieder welche dabei sind, die keinen Eindruck hinterlassen. Ich hoffe, das nächste wird wieder etwas interessanter.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Jenny Nelson und ihrem Freund Daniel Perito erzählt. Sie ist Astronautin, er ein NASA-Beamter. Während Jenny sich mit den technologischen Möglichkeiten der Reise zum Phobos beschäftigt, muss sich Daniel mit Politikern und Funktionären herumschlagen. An der Glaubwürdigkeit dieser beiden Linien ist nicht zu rütteln. Peterson zeigt hier sein Wissen über Raumfahrt und versucht sich in politischer Wahrsagerei, wobei letztere mal wieder zum Haareraufen ist. Nicht, weil langweilig oder schlecht geschrieben, sondern weil es in wenigen Jahren genauso zugehen könnte. Ja, Raumfahrt ist ohne Politik nicht möglich, aber ginge es vielleicht etwas weniger frustrierend?

Wie bereits in anderen Romanen, lässt sich der Autor hier viel Zeit, bis das Raumschiff endlich zum Marsmond startet. Gefühlt passiert das auf den letzten paar Seiten. An vielen Stellen erinnerte mich das Buch an Das Objekt von John Sandford & Ctein, welches mir übrigens weit weniger gefallen hat als Janus. Der Schluss klingt nach einer Fortsetzung.

Fazit: Für Fans des Autors ein Muss.

#euleliest #eulehört #phillipppeterson #janus #dasobjekt #sciencefiction
Buchrückblick 2023, die Zahlen

Die Statistik der 2023 gelesenen und gehörten Bücher sieht wir folgt aus:

Insgesamt: 83 Bücher
Abgebrochen: 0

Gelesen: 36 (18 Printbücher und 18 eBooks)
Gehört: 47

Sachbücher/Biografien: 7
Belletristik: 76

Bewertungen:
1 - Sehr gut ❤️ 21x
2 - Gut 🧡 22x
3 - Ok 💛 30x
4 - Kann man lesen 💚 3x
5 - Kann man nicht lesen 💙 3x
6 - Unterirdisch 🖤 4x

Das beste Buch des Jahres: Matthew Walker - Das große Buch vom Schlaf

#euleliest #eulehört #eulenstatistik
Lesepläne 2024

Die Buchbloggerinnen, denen ich auf Youtube folge, machen ständig Lesepläne fürs nächste halbe Jahr, für das ganze Jahr etc.
Ich dache mir, das kann ich auch. Ich garantiere zwar nicht, dass ich die Pläne verwirkliche (also ganz wie so eine echte Buchbloggerin), aber machen kann ich die ja trotzdem. Außerdem mache ich mir seit mehreren Jahren immer wieder kleine "Plänchen", die ich tatsächlich schaffe einzuhalten. Damit kann ich dann ja im größeren Maßstab weitermachen.

Ob Hörbuch, Print oder eBook, deutsch oder russisch, ist egal. Hauptsache, das Buch kann von der Liste gestrichen werden. Los geht's.

1x Strugatzki
1x Max Frei
1x Pratchett
1x Lem
1x Bradbury
1x Sachbuch
1x Biografie
1x Literatur aus oder über Asien
1x Krimi / Thriller
1x Historie
1x Klassiker (18. oder 19. Jh)
1x ein Buch, das 20 Jahre ungelesen im Regal steht

Klingt nach einem netten Dutzend, oder?
Guckewirmal, ob das so klappt.

#euleliest #eulehört #euleplant #eulenstatistik
Gar nicht so neblig

Vorhin habe ich spontan mit dem Hörbuch Kinder des Nebels von Brandon Sanderson angefangen. Ich kenne den Roman bereits, habe die erste Trilogie dieses Zyklus' vier oder fünf Mal gehört. Es ist allerdings schon ein paar Jahre her, deshalb noch einmal von vorne. Gelesen wird das Buch von dem absolut großartigen Detlef Bierstedt, welcher der Synchronsprecher von George Clooney, Bill Pullman, Jonathan Frakes und und und ist. Bereits der erste Satz, den er hier vorliest, katapultiert einen mitten in ein phantastisches Abenteuer.

Worum geht es?

In einer Welt, wo Asche vom Himmel fällt, die Pflanzen graubraun statt grün sind und seit 1000 Jahren ein unsterblicher Bösewicht regiert, schließt sich die junge Vin der Rebellengruppe rund um Kelsier an. Kelsier - und auch Vin - sind Nebelgeborene, d. h. sie können Metalle "verbrennen". Man schluckt kleine Metallmengen und entwickelt dadurch übermenschliche Kräfte. Die Rebellen wollen den Herrscher töten. Vin kommt dabei eine tragende Rolle zu, denn sie soll den Hochadel ausspionieren.

In jedem seiner Bücher und Bücherzyklen entwirft Brandon Sanderson eine neue Welt, die man buchstäblich mit keiner andern vergleichen kann. Seine Welten sind bis ins Detail ausgearbeitet (was man, zugegebenermaßen, von seinen Figuren nicht immer behaupten kann), sie haben ihre eigenen Regeln, Gesetze und Geschichten. Mir fällt kein anderer Autor ein, der so vielfältige Welten geschaffen hat. In dieser Hinsicht ist Sanderson ein Phänomen.
Man muss sich auf die Geschichten einlassen, denn am Anfang versteht man erstmal gar nichts, doch nach und nach entfaltet sich ein unglaubliches Feuerwerk der Phantasie. Jeder, der Fantasy mag, sollte Sanderson wenigstens einmal durchgeblättert haben.

Ich werde mich nun in die Abenteuer von Vin, Kelsier und Elant stürzen.

#euleliest #eulehört #brandonsanderson #kinderdesnebels #mistborn #buchtipp
Bitte lächeln!

Ich bin in einem der letzten Kapitel von Kinder des Nebels von Brandon Sanderson. Wie ich in dem Post oben schon schrieb, kann Sanderson phantastische Welten erschaffen wie kein zweiter. Aber Figuren sind nicht seine Stärke. Die sind allesamt emotionsarme Gestalten.
"Kelsier lächelte", "Er rollte mit den Augen", "Sie schnaubte", "Er runzelte die Stirn" - das sind die Hauptgefühlsregungen der Protagonisten. So langsam beginnt mein Augenlid bei jedem "Kelsier lächelte" zu zucken. Ich will ja unbedingt auch den Rest der Buchreihe hören, weiß aber im Moment nicht, ob ich das aushalten kann. Vielleicht sollte ich mir die Verben als Nachnamen der Figuren vorstellen: Vin Rolltemitdenaugen, Kelsier Schnaubte, so was halt. Dann geht es vielleicht.
Außerdem muss Sanderson bei all seiner Genialität unbedingt an einigen Formulierungen feilen (und die:der Übersetzer:in ebenso), denn wenn jemand keine Augen hat, kann er niemandem einen finsteren Blick zuwerfen. Hier musste ich mit den Augen rollen und schnauben.

Kinder des Nebels ist zusammen mit dem Rest der Reihe ohne Frage phantastisch. Aber längst nicht perfekt.

#euleliest #eulehört #brandonsanderson #mistborn #kinderdesnebels
Es wird nass

Heute war eine der Straßen hier in der Gegend schon wieder überflutet. Natürlich habe ich auch zum Thema Flut ein Buch gelesen 😎.

Die letzte Flut von Stephen Baxter

Die Pilotin Lily Brooke wird zusammen mit einigen Leidensgenossen aus der mehrjährigen Geiselhaft religiöser Fanatiker gerettet. Nach all der Zeit der Isolation kommt ihr die Welt stark verändert vor. Politik, Technik und sogar das Wetter sind ihr und ihren Kameraden fremd. Letzteres stellt sich als besonders unberechenbar heraus. Während im Internet vom Ansteigen des Meerespiegels um einen ganzen Meter zu lesen ist, wird dies von Politikern und Wissenschaftlern strickt abgestritten. Für sie ist es nur schlechtes Wetter, kommt eben vor. Klimawandel und so weiter.
Als immer mehr Städte überschwemmt und unbewohnbar werden, wird klar, dass es nicht bloß der Klimawandel ist.

Es fällt mir schwer, dieses Buch zu beschreiben. Es besteht aus mehreren Episoden und umfasst mehrere Jahrzehnte. Die Figuren sind kaum mehr als Beobachter und haben keine große Funktion, außer zu verhindern, dass das Buch in die Kategorie Sachbuch abdriftet.
Durch die episodenhafte Erzählweise wird auch verhindert, dass der Leser irgendeine Beziehung zu den Figuren aufbaut.

Ganz vorne im Buch befinden sich einige Karten, die zeigen, wie stark sich das Antlitz des Planeten verändert, wenn der Meeresspiegel ansteigt. Die Karten haben bei mir ein beklemmendes Gefühl ausgelöst, in Verbindung mit der Handlung verstören sie einen geradezu.
Das ist dann auch das Hauptgefühl, das ich beim Lesen hatte.
Baxter schreibt nicht bloß über das steigende Meer, sondern auch über die Reaktionen der Menschen, den verzweifelten Überlebenskampf, den Verlust jahrtausendealter menschlicher Kultur sowie der Menschlichkeit.
Schnell wird klar, dass es keine Hoffnung für die Welt, wie wir sie kennen, gibt, keine Zukunft. Kleine Teile der Menschheit überleben auf dem Meer, die neuen Generationen kennen nichts anderes als Wasser und können mit Geschichten über die Vergangenheit nicht das geringste anfangen.

Fazit: Ein verstörender, aber verdammt realistischer Roman über das Ende der uns bekannten Welt.

#euleliest #stephenbaxter #dieletzteflut #sciencefiction
Noah hat das besser hinbekommen

Die letzte Arche von Stephen Baxter

Die Geschichte der letzten Flut wird fortgesetzt. Sie beginnt mit dem Vortrag von Thandie Jones über das steigende Meer. Nach diesem Vortrag schmieden die Reichsten der Reichen Pläne, um sich und ihre Familien zu retten. Die Entstehung und der Untergang der Arche III wird schon in Die letzte Flut erzählt, hier geht es um die Arche I.
Arche I ist ein Raumschiff, welches mit einem experimentellen Warp-Antrieb zu einer neuen Welt fliegen soll. Die Besatzungsmitglieder/Kolonisten werden bereits als Kinder ausgewählt und ausgebildet, unter ihnen Holle Groundwater, deren Vater das Projekt zunächst finanziert, bevor die Regierung es beschlagnahmt.

Die episodenhafte Erzählweise aus Die letzte Flut wird hier vom Autor konsequent weiterverwendet. Es gibt Zeitsprünge von mehreren Jahren, was der Geschichte nicht immer guttut.

Als großer Fan von Raumschiffen und Weltallgeschichten aller Art habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut. Aber es dauert mehrere hundert Seiten, bis es soweit ist und die Arche I ins All startet. Zuvor kämpft man sich durch das Leben und Ausbildung der Kandidaten, manchmal darf man einen Blick auf den gnadenlosen Überlebenskampf der Flutopfer werfen. Als die Arche I dann endlich unterwegs ist, wird es geradezu langweilig. Es gibt Konflikte, Machtkämpfe und Diskussionen, einmal sogar einen Aufstand, aber im großen Ganzen gondelt die Arche I ohne großes Tamtam durch die Weiten des Universums. Jahre vergehen, die Erde II erweist sich als kaum bewohnbar, dann fliegt die Arche I zum nächsten Stern, Jahrzehnte lang...

Die letzte Flut fand ich erschreckend realistisch, und die Szenen, die auf der Erde spielen, sind auch hier in Die letzte Arche erschreckend und realistisch. Der Flug des Raumschiffs dagegen ist für mich persönlich an kaum einer Stelle glaubhaft. Da fliegt das Warp-Schiff munter durch die Galaxis, aber nie geht etwas kaputt. Jahrzehntelang (!) gibt es für die wachsende Anzahl der Besatzung genug zu essen und Luft zum Atmen. Der Treibstoff geht nie aus.
Gefallen haben mir die psychologischen Auswirkungen der Reise: Die Menschen an Bord verlieren zum Teil nicht nur ihre Menschlichkeit, sondern auch das Wissen um die Vergangenheit. Irgendwann glauben viele von ihnen nicht mehr daran, sich in einem Raumschiff zu befinden, und brechen die Außenwand auf, um rauszukommen.

Fazit: Nicht ganz eine Enttäuschung, aber nahe dran.

#euleliest #stephenbaxter #dieletztearche #weltenschiff #sciencefiction

P. S.
Diese beiden Romane habe ich vor 10 Jahren gelesen. Wie die Zeit vergeht!
Per ardua ad astra

Weil's gerade so nett ist, hier noch ein weiterer Beitrag über ein Buch von Stephen Baxter. Der letzte für heute, versprochen.

Proxima
1. Teil der Dilogie

Im Jahre 2166 werden auf dem Mars ein paar hundert Sträflinge und Unruhestifter kurzerhand auf das Raumschiff Ad Astra verfrachtet, welches nach Proxima Centauri startet. Die Sträflinge sollen dort eine menschliche Kolonie aufbauen. Da dies das erste Projekt dieser Art ist, geht alles recht schnell und auf Kosten der gründlichen Überprüfung des erdähnlichen Planeten Prox. Die Kolonisten werden nach über 3 Jahren Flug in kleinen Gruppen einfach auf der neuen Heimat abgeladen und müssen zusehen, wie sie überleben. Da diese Menschen aber größtenteils wenig Skrupel haben und ein Menschenleben für sie nicht viel zählt, vor allem auf Proxima nicht, schrumpfen die Gruppen sehr schnell.
Der rätselhafte Yuri ist in seiner Gruppe aus ursprünglich etwa einem Dutzend Menschen am Ende allein mit der zurückgelassenen Raumflottenoffizierin Mardina auf Proxima gestrandet. Schon bald merken sie, dass der Ort, an dem man sie ausgesetzt hat, sich bald nicht mehr zum Leben eignen wird, und müssen weiterziehen. Unterwegs lernen sie mit der Hilfe des Kolonisationsroboters ColE mehr über den Planeten und deren seltsamen Bewohner.

Ein anderer Erzählstrang befasst sich mit der Physikerin Stef, die sich mit den Kernels beschäftigt. Kernels sind geheimnisvolle Energieartefakte, welche die Menschen auf dem Merkur gefunden haben und seitdem munter nutzen, ohne ihre Funktionsweise so recht zu verstehen.
Als mehrere hundert Kilometer unter der Oberfläche des Merkur eine Luke gefunden wird, steigt Stef hinunter.

Die Handlung um Stef Kalinski und später Penny ist zwar stellenweise sehr interessant, dient sie doch dazu, die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Heimatplaneten zu verdeutlichen, doch mein persönlicher Favorit ist eindeutig die Handlung auf Per Ardua, ehemals Proxima C. Mich interessieren die Probleme, auf die Kolonisten auf einer neuen Welt stoßen können, die Beschaffenheit dieser Welt etc. Deshalb war ich auch viel lieber in Gesellschaft von Yuri und Mardina, als in der von Stef/Penny und Künstlichen Intelligenzen. Allerdings ist auch hier nach etwa der Hälfte des Buches die Luft ein wenig raus.

Wie in den beiden anderen Büchern von Baxter, die ich weiter oben vorgestellt habe, spielt auch die Geschichte von Proxima in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, so dass die Figuren einem etwas fremd bleiben. Dafür stürzt sich der Autor in die genauen Erklärungen der politischen Situation im Sonnensystem, welche in einer Katastrophe kulminiert. Was hat Baxter bloß gegen den Blauen Planeten?
Der klare, sehr verständliche Schreibstil in Verbindung mit der spannenden Handlung lassen den Leser schnell vorankommen. Sobald die Spannung abflaut, kann auch der Erzählstil der Geschichte nicht mehr helfen. Der Schluss ist relativ offen, Abhilfe schafft hier vermutlich der Nachfolgeband Ultima, den ich bis heute nicht gelesen habe.

Fazit: Die Geschichte der Besiedelung einer neuen Welt kann spannend sein, aber Proxima ist es nur zum Teil.

#euleliest #stephenbaxter #proxima #sciencefiction
Blumen für Algernon von Daniel Keyes

Charlie Gordon hat einen niedrigen IQ, kann kaum lesen und schreiben und arbeitet in der Bäckerei seines Onkels. Seine besten Freunde sind seine Kollegen, alle sind sehr nett zu ihm. Er weiß, dass er nicht klug ist, und wünscht sich, dies ändern zu können.
Diese Chance bekommt er dann auch. Sie besteht darin, dass er sich einer Hirn-OP unterzieht. Die Wissenschaftler wollen auf diese Weise versuchen, die Intelligenz eines Menschen zu steigern. Das einzige andere Lebewesen, das die gleiche OP hinter sich hat, ist die Maus Algernon.
Nach der OP wird Charlie nicht einfach nur intelligenter, er wird nahezu zu einem Genie. Auch sonst ändert sich in seinem Leben einiges: er begreift, dass seine Freunde keine Freunde sind, sondern sich ständig über ihn lustig machen, weil sie wissen, dass er den Spott sowieso nicht versteht. Außer Algernon hat er auf der ganzen Welt keine andere verwandte Seele.
Und dann - zeigen sich bei Algernon die ersten Nebenwirkungen.

Keyes hat eine interessante Erzählweise gewählt. Das Buch ist in Ich-Form geschrieben, aber da Charlie ist wie er ist, sind seine Tagebucheinträge wie die eines Grundschulkindes. Er kann sich kaum ausdrücken, macht Grammatik- und Rechtschreibfehler. Durch die ersten Seiten muss man sich ein wenig durchkämpfen. Je klüger er wird, desto komplexer werden die Einträge. Es bricht einem fast das Herz, wenn er feststellt, dass er der einsamste Mensch der Welt ist, oder wenn er begreift, dass es kein gutes Ende mit ihm nehmen wird.

Ich habe dieses Buch vor vielen Jahren gelesen, aber es ist eines von der Sorte, die man nie wieder vergisst. Es ist ein sehr emotionaler Roman, Taschentücher sollten beim Lesen bereitliegen. Einen ReRead habe ich bisher vermieden, weil ich heute sehr viel skeptischer und unerbittlicher einem Buch gegenüber bin als noch vor 15 Jahren. Würde es mich heute noch genauso packen? Oder würde ich es als Gesülze abtun?
Eine Bloggerin, deren Beitrag ich vor einigen Tagen hörte, meinte, es sei das perfekte Buch für ganz junge Menschen. Ich neige dazu, ihr zuzustimmen. Hier gibt es kein Grau. Es wird sofort klar, wer wo steht und wer gut oder weniger gut ist. Für Leseanfänger:innen, die noch nicht gelernt haben, ein Buch zu analysieren, ist es in der Tat perfekt. Natürlich können (und sollten) auch erfahrene Leser:innen es einmal lesen, das Buch ist nicht umsonst ein moderner Klassiker.

Vor einigen Jahren lief mir Algernon, Charlie, and I über den Weg. Es ist die Entstehungsgeschichte des Romans. Keyes schreibt hier über seinen schriftstellerischen Werdegang, die Idee zur Kurzgeschichte, und wie aus dieser letztendlich der bekannte Roman wurde. Die besagte Kurzgeschichte ist in Algernon, Charlie, an I enthalten.

Eine klare Empfehlung.

#euleliest #danielkeyes #blumenfüralgernon #buchtipp
Schweigt nicht! Reden vor Gericht von Alexei Nawalny

Vor genau einem Jahr saß ich, wie viele andere Menschen auch, sprachlos vor dem Newsfeed. Die Schlagzeilen verkündeten, der russische Oppositionelle Alexei Nawalny sei im Flieger zusammengebrochen. Es folgten eine Notlandung in der sibirischen Stadt Omsk und die Einlieferung des Politikers in die Notaufnahme. Fast sofort wurde über eine Vergiftung spekuliert. In den folgenden Tagen ging es drunter und drüber, die Wellen schlugen hoch, und der Name Nawalnys war minütlich in den Medien, auch in den westlichen.

Es kam heraus, dass Nawalny mit dem Nervengift Novitschok vergiftet worden war, einem militärischen Kampfstoff. Zugang zu diesem Gift haben nur wenige, den Befehl zu der Verwendung kann nur von ganz oben kommen, sprich: von Präsident Wladimir Putin selbst oder seinen engsten Mitarbeitern.

Dieser Vorfall hat die Weltpolitik gehörig aufgemischt, zumindest am Anfang. Ein weiteres Mal ging es hoch her, als Nawalny nach seiner Behandlung in der Berliner Charité nach Russland zurückkehrte. Bis zur Passkontrolle kam er gar nicht erst, man nahm ihn wegen des Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen fest.

Was anschließend folgte, war ein so absurder Gerichts-Zirkus, wie man ihn sich nicht ausdenken kann. Mit einem Gericht oder gar Gerechtigkeit hatten diese Veranstaltungen rein gar nichts zu tun. Ich selbst verfolgte – erneut sprachlos, diesmal vor Unglauben – diese sogenannten Verhandlungen im Live-Ticker.

Während der Verhandlungen hat Alexei Nawalny Reden gehalten, „letzte Worte“, aber nicht nur. Diese liegen jetzt in gedruckter Form und in deutscher Übersetzung vor.

Die Reden kannte ich bereits, die sind alle auf YouTube zu finden. Aber natürlich ist es schön, sie auch gedruckt in den Händen zu halten. Ohne mir den Klappentext durchzulesen, kaufte ich das Buch. Zwar hätte ich mir eine russische Ausgabe gewünscht, aber was soll’s, dazu wird es in den nächsten Jahren wohl eher nicht kommen. Aber dann die Überraschung: das Buch beinhaltet auch die Reden im russischen Original.

Das Buch – ein winziges Büchlein von knapp 100 Seiten – enthält vier Reden, die typisch Nawalny sind. Er ist ein hervorragender Redner, seine Worte sind stets punktgenau, leidenschaftlich, aufrüttelnd. Man hört ihm zu und denkt: Ja! Das kann ich!

Weil er sich immer wieder auf Ereignisse bezieht, die in Russland stattgefunden haben oder immer noch stattfinden, und die für ausländische Leser vielleicht nicht ganz verständlich sind, enthält das Buch etliche Fußnoten, Anmerkungen und Erläuterungen. Die sind natürlich nicht sehr ausführlich, was bei dem kleinen Buchumfang kein Wunder ist. Aber wenn man zusätzliche Infos wünscht, kann man diese googeln.

Die Aussagen Nawalnys lassen sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Veränderung ist möglich. Tretet für eure Rechte ein. Schweigt nicht. Bekämpft Korruption.

Zur Zeit sitzt Nawalny im Gefängnis und wird dort vermutlich nie wieder herauskommen, jedenfalls nicht so lange Putin regiert. Er ist allerdings bereits in die Geschichte eingegangen, nicht nur, weil er Novitschok überhabt hat, sondern auch, weil er einen unerschütterlichen Glauben an ein besseres Russland hat und alles tut, um dieses Russland zu ermöglichen.

Dieses Buch ist hoffentlich nicht das letzte von und über Nawalny.

In meinem Regal hat es Platz neben dem Buch mit den Zitaten von Nelson Mandela gefunden, dort passt es genau hin.

....

Das habe ich am 20.09.2021 geschrieben.
Ich hätte mir ein weiteres Buch, zum Beispiel mit den Reden während seiner Präsidentschaft gewünscht...
🕊

#euleliest #nawalny #navalny