„Make Querdenken great again“ – oder: Warum der Moment vorbei ist
Drei Männer sitzen zusammen, erinnern sich an alte Zeiten – und plötzlich steht der Vorschlag im Raum, Querdenken wiederzubeleben. Was zunächst wie eine schräge Idee klingt, ist offenbar ernst gemeint.
Der erste Redner: Kayvan Soufi-Siavash, bekannt unter dem Namen Ken Jebsen. Bis Mai 2021 war er für viele eine wichtige Stimme der Corona-Protestbewegung – auch für mich. Doch dann zog er sich zurück, mit der Begründung, es sei in Deutschland zu gefährlich geworden. Während er verschwand, traten andere an seine Stelle.
Dann Michael Ballweg, Kopf von Querdenken. Im Winter 2020 kündigte er in einer Videobotschaft eine mehrmonatige Pause der Großdemonstrationen an und empfahl allen Querdenken-Gruppen in Deutschland, seinem Beispiel zu folgen. Als Grund nannte er den Wunsch, den Winter zu nutzen, um Kräfte zu sammeln. Gleichzeitig bat er die Anhänger, das Verbot der geplanten Demonstration in Berlin zum Jahreswechsel zu akzeptieren. Ein fataler Schritt, der das Auflösungsmomentum der Bewegung einleitete. Danach verlor die Querdenkerbewegung zunehmend an Kraft. In Nürnberg formierte sich daraus später die Gruppe „Team Menschenrechte“, deren aktueller Zustand den meisten bekannt sein dürfte.
Dabei war es ausgerechnet dieser Winter 2020/2021, in dem wir draußen auf den Straßen standen – bei Wind und Wetter, von Polizei umringt. Besonders Erinnerungswert war der 3. Januar 2021, an der mehrere hundert Querdenker zu unserer Demo an den Hauptmarkt kamen, nachdem ihre Versammlung verboten wurde. Für die großen Berliner Demos im August 2020 bin ich Ballweg bis heute dankbar.
Seine spätere Verhaftung sehe ich kritisch – sie hatte aus meiner Sicht klar politisch motivierte Züge.
Und als Dritter: Jürgen Elsässer, der seit Jahren am rechten Rand agiert. Für ihn scheint der Traum einer Querfront mit Ballwegs Querdenken plötzlich wieder möglich. Die gesetzeswidrige Razzia durch Faesers Behörden hat ihm keineswegs geschadet – im Gegenteil: Sie hat ihn populärer gemacht.
Doch eines übersehen alle drei: Querdenken war ein Phänomen seiner Zeit. Die gesellschaftliche Stimmung, die damals über ideologische Grenzen hinweg trug, existiert heute nicht mehr. Die Bewegung hatte einen historischen Moment – aber auch innere Widersprüche, Machtkämpfe und viele verpasste Chancen. Ballweg selbst war Teil dieser Dynamik.
Der Versuch, Querdenken heute neu zu beleben, wirkt wie ein Blick zurück in ein politisches Paralleluniversum. Die Gesichter sind die gleichen, die Probleme andere – und die einstige, verbindende Solidarität ist verloren.
Was damals wie ein Aufbruch wirkte, ist heute nur noch ein müder Schatten seiner selbst. Daraus folgt: Querdenken – rest in peace. 😴😴😴